Die Installation friert einen deckungsgleichen Augenblick in zwei Biografien ein.
Von zwei Rapunzeln. Die eine – Blonde – kennt jeder. Aus der Kindheit, aus dem Märchen. Sie lebt im Märchen. In einem in sich geschlossenen Kosmos. Nie hat man sich gefragt, wie Rapunzel nach ihrer Haft im Turm – nach ihrem Erwachsenwerden – in die Verbannung gekommen ist. Das Märchen gibt keine Antwort. Dieses Detail blendet die Geschichte aus. Das Mädchen muss aus dem Turm ohne Tür und ohne Treppe in ihr neues Leben gesprungen sein. Aus dem Fenster, aus dem sie so oft ihr Haar herabgelassen hatte.
Wie in der Sekunde vor dem Fall ruht in der Installation ein Vogel – wie ein Standbild – vor der Öffnung eines Fensterchens. Im Rücken das Vertraute, hell Erleuchtete. Das Bekannte, Sichere. Davor das Unbekannte, Möglichkeiten oder Erlösungen.
Vielleicht wünscht Rapunzel in diesem Augenblick ein Vogel zu sein, um den Sprung zu überleben?
Unscharf und traumartig über dieses Bild projiziert liegt die Geschichte von Rapunzel. Derjenigen, die nie in einem Turm eingesperrt war, die aber genauso schön war, wie das Mädchen aus dem Märchen. Nur, dass ihr langes Haar schwarz war. Karriere hat sie nicht durch ihren Gesang im Turm gemacht, sondern als Model in der Medienwelt von heute.
An einem Punkt der beiden Rapunzeln überschneiden
sich die Biografien. Auch das russische Mädchen erlebte den Moment vor der Öffnung des Fensters. Hinter ihr die Glitzerwelt eines Jet-Set-Lebens. Das Vertraute, Sichere. Vielleicht wünscht Rapunzel im letzten Augenblick doch noch ein Vogel zu sein, um den Sprung zu überleben? Sie ist keine Figur aus einem Märchen. Sie heißt Ruslana Korshunova und sie ist mit 20 Jahren gerade erwachsen geworden. „Russisches Rapunzel“ wurde sie in den Medien genannt.
Die Installation hält den Augenblik fest, in dem der Ausgang sich noch nicht manifestiert hat; in dem Märchen, Traum und Wirklichkeit sich überlagern und in dem man noch hoffen kann – auf ein Happy-End.