Eine Hommage an Sigune von Osten

Im letzten Sommer starb unerwartet meine Freundin, die Musikerin Sigune von Osten, welche als Sängerin im Bereich der zeitgenössischen Musik (sie kannte noch Cage und Messiaen persönlich) international bekannt war. Sigune und mich verbanden – neben der Musik – vielerlei Gemeinsamkeiten, unter anderem die Liebe zum Osten und zahlreiche Reisen und Auftritte. Wir trafen uns in China oder Burma, und ihre letzte Reise ging von Moskau bis Taschkent und Usbekistan.
Wenn ich an meine Reisen Richtung Osten denke, denke ich vor allem an die vielen Farben, die Düfte und vielfältigen Musiken der Völker und ihrer Traditionen. Einer meiner eindrücklichsten Aufenthalte im Orient war ein siebenwöchiger Aufenthalt in Aserbaidschan im Herbst 1990, in dem Schicksalsjahr, als nicht nur der deutsche Osten, sondern ein Großteil der ehemaligen Sowjetunion drastischen Veränderungen unterzogen war. Ich war als einzige Frau allein zu einem Künstlersymposion zusammen mit zwölf Kollegen aus Baku und drei weiteren aus Dallas und Sarajewo eingeladen, und außer mit dem amerikanischen Fotografen verband uns keine gemeinsame Sprache – und trotzdem erlebte ich eine derart eindringliche Kommunikation, wie ich sie seither selten wieder erfahren habe.
In meiner mehrteiligen Arbeit „Die Farben des Ostens“ möchte ich meine Assoziationen und Erinnerungen an diese Zeit wiedergeben, wobei ich die Technik der Collage wiederverwende, die ich damals aus der Not des Materialmangels für mich entdeckte, die mittlerweile aber in Zusammenhang mit dem Klimawandel eine Form des Recyclings von Materialien geworden ist, welche nicht dem Mangel, sondern dem Überfluss geschuldet ist.
So stehen für mich z.B. die vielfältigen Farben für die überbordende Ornamentik orientalischer Mosaiken, das Gold für die Pracht von Ikonen oder Kuppeln, das Rot für Berge von duftenden exotischen Früchten, für farbenfrohe Kostüme und Gebäude aus Lehm, das Weiß für den Schnee auf Berggipfeln oder den Schein des Mondes, dessen Spiegelbild sich auf einem See im Wind leicht kräuselt.


  • Titel Die Farben des Ostens
  • Jahr 2021/22
  • Ausführung Acryl, Papier, Wachs auf Leinwand
  • Größe je 60 x 60 cm