Nicht erst seit der Pandemie ist mir der Wert nicht genutzter Ressourcen deutlicher bewusst geworden: plötzlich war nicht mehr alles Material im Handel verfügbar; gleichzeitig werden Massen von „Müll“ weggeworfen und verpesten unsere Umwelt, z. B. das Mare Nostrum, unser europäisches Meer. Es werden Werte vernichtet, die man noch produktiv nutzen könnte und sollte, auch im künstlerischen Schaffen.
Meine persönlichen Konsequenzen? Ich recycle – besonders bei meiner täglichen Arbeit im Atelier. Dabei habe ich viel Material zur Wiederverwendung entdeckt, wobei mir auch manchmal der Zufall zugutekommt. Letztes Jahr ist mir eine alte Bibel im Atelier aus der Hand gefallen und hat sich in Hunderten von Blättern auf dem Boden verteilt, ein geradezu poetischer Anblick, vielleicht sogar mit symbolischem Inhalt?
Die Erfindung des Buchdrucks führte zu einer bis dahin ungeahnten massenhaften Verbreitung von Wissen und Glauben über Grenzen hinweg, wobei die Bibel eine Sonderrolle in der Entwicklung unserer europäischen Kultur darstellt. Sind es nicht die christlichen Werte, die vor allem den Süden unseres Kontinents, so unterschiedlich die Kulturen sind, vereint? Aber auch die Schriften anderer Religionen, die in guten Zeiten friedlich miteinander koexistiert haben, vereint das niedergeschriebene Wort Gottes oder der Propheten, schwarz auf weiß auf Papier gedruckt, als Thora, Bibel oder Koran.
In diesem Sinne habe ich die schönen Dünndruckblätter der Bibel aufgelesen und zu einer Weiterexistenz als Collage verarbeitet, wobei mir der Gedanke kam, die drei monotheistischen Religionen gleichberechtigt nebeneinanderzustellen. Aber ist das eigentlich erlaubt? Nach Koran- und Bücherverbrennungen möchte ich in meiner künstlerischen Verarbeitung der Texte ein respektvolles Gegenzeichen setzen. Nach Gesprächen mit jüdischen Freund*innen habe ich mir inzwischen erlaubt, Seiten einer Sohar (Thora-Kommentar) zu verarbeiten; an den Koran habe ich mich bisher nicht getraut, führe aber weiterhin Gespräche darüber.
Eine Assoziation zum „Süden“ habe ich beim Klang des Wortes immer: Sonne, Wärme und Licht, strahlende Helle. Ob die drei Schriften nun mehr Licht als Schatten (bei Kreuzzügen, Pogromen oder Kriegen) bewirkt haben, sei dahingestellt; unbestreitbar waren und sind sie kulturstiftend im besten Sinne, wie in der Ringparabel oder vielleicht als Sterne des Südens.