Im Raum zur Stadtgeschichte befindet sich ein sogenannter „Adlerstein“ – solitär, massiv. Er ist einer der Grenzsteine, die im 14. Jhd. die Grenzen rund um Boppard markierten, und mit dem Herrschaftszeichen derer ausgestattet sind, die Anspruch auf das Gebiet und die Rechtsprechung erhoben. Wer damals Grenzen nicht beachtete, galt als Frevler. Ihre Verletzung konnte hart geahndet werden.

Die Beschäftigung mit historischen Grenzsteinen führte mich unweigerlich in die Gegenwart zu der südlichen Grenze Europas – dem Mittelmeer. Bei der Flucht über das Mittelmeer nach Europa auf der tödlichsten Seeroute der Welt ertrinken Tausende oder werden vermisst. Die EU-Außengrenze, für deren Schutz sogar eine eigene Agentur gegründet und Abkommen mit Ländern zweifelhaften Rufs geschlossen wurden, ist Brennpunkt für die Unvereinbarkeit von Sicherung und von Aus- und Abgrenzung, sowohl nach innen wie nach außen. Der Schutz von Leben und grundlegenden Menschenrechten hat hier trotz vielfältiger Verpflichtungen gemäß dem Völkerrecht, trotz humanitärer Imperative, trotz Menschenrechtskonventionen, trotz … seine Priorität verloren.

Meine abstrahierten und tief schwarzen Schwimmwesten, zeichenhaft reduziert auf transparenten, fragilen Papierbahnen, stehen für mich einerseits für das Leid der verzweifelten Menschen auf ihrer ausweglosen Suche nach Schutz und Neuanfang und andererseits für die Unfähigkeit der Regierungen der „Zielländer“, ausreichend humanitäre Hilfe zu leisten und Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.

  • Titel: Gestrandet
  • Jahr: 2021
  • Ausführung: Öl und Wachs, Chinapapier, Papier, Leinen, geschwärzt, 1 Bodenobjekt
  • Größe: 5 Fahnen, je 220 x 70 cm